War die „Inzidenzzahl“ als Maßstab für die Bewertung der Krise jemals das Korrekte Maß?

Eine Kolumne von Tom:

Stellen Sie sich vor, Peter geht am Samstag für 2 Stunden im Wald Pilze sammeln und findet 20 Pilze. Am Sonntag geht Peter 6 Stunden lang Pilze suchen. Er findet  40 Pilze. Peter behauptet dann, dass sich die Anzahl der Pilze im Wald von Samstag auf Sonntag verdoppelt habe, weil er doppelt so viele Pilze gefunden hat. Das stimmt natürlich nicht, denn er hat am Sonntag einfach dreimal länger gesucht.

Und was hat das mit Corona und Inzidenzzahl zu tun?
Nach den Angaben von RKI sind grundsätzlich viel mehr Menschen in Deutschland an Corona erkrankt, als wir es wissen. Sehr viele Menschen bekommen keine auffälligen Symptome. Sie überwindend die Infektion unbemerkt. Würde man diese Personen finden und testen, dann wären die Testergebnisse positiv.

Das Suchen von Pilzen im Wald ist somit identisch mit der Suche nach den Corona-Infizierten. Wenn man weniger sucht entdeckt man weniger. Das heißt natürlich nicht, dass es auch weniger Infizierte im Land gibt. Aber genau das besagt die Inzidenzzahl. Es sagt exakt, wie viele Erkrankte man zufällig gefunden hat ohne zu berücksichtigen, wie viele Menschen dafür getestet wurden.

Ein Beispiel mit einfachen Zahlen:
Heute testen wir 100 Personen auf Coronavirus. 50 getestete sind positiv.
Letzte Woche haben wir 1.000 Personen getestet und 100 Personen davon waren positiv.
Das bedeutet:
Letzte Woche wurde jede 10.Testperson positiv getestet.
Diese Woche wurde jede 2.Person positiv getestet.
Was ist schlimmer?
Normal denkende Personen würden sagen: natürlich ist in dieser Woche die Lage alarmierender.
Denn diese Woche wurde jede 2.Person positiv getestet. Letzte Woche wurde nur jede 10.Person positiv getestet.

Inzidenz betrachtet nur die einfache Zahlen.
Demnach: Letzte Woche waren 100 Personen positiv getestet, diese Woche sind es 50 Personen positiv getestet.
Inzidenz ist damit um die Hälfte gesunken.
Die Regierung interpretiert und verkündet: „Damit hat sich auch die Verbreitung des Coronavirus in Deutschland halbiert. Die Gefahr hat sich halbiert. Diese Woche ist die Lage halb so schlimm.“

Die Lockerungen und Verschärfungen im öffentlichen und privaten Leben  nach diesem zufälligen Zahl zu richten ist methodisch falsch und war nie eine korrekte wissenschaftliche Methode, um die Ausbreitung von Corona zu bewerten.
Diese Willkürlichkeit dürfte nicht als Maßstab für wichtige Entscheidungen, bzw. das Unterlassen von nötigen Entscheidungen in der Gesellschaft verwendet werden. Die statistische Einschätzung der Anzahl der Infizierten sollte sich nach einem „vernünftigen Bezugsrahmen“ richten. Selbstverständlich bietet auch das RKI andere Zahlen und Methodiken zur Erkennung des Entwicklungsverlaufs der Coronavirus-Ausbreitung in Deutschland, die aussagekräftiger und sinnvoller sind als die Inzidenzzahl nach zufällig gefundenen Fällen. Aber die Politik hat sich ausdrücklich für die Inzidenzzahl als Maßstab für ihr Handeln entschieden.


Hinzu kommt die Tatsache, dass die Inzidenzzahl nicht nur eine zufällige, sondern auch eine manipulierbare* Größe ist. Die Inzidenzzahl eignet sich eher für politisches Aktionismus bzw. sie könnte auch verbergen, dass nötige Maßnahmen unterlassen werden.

Das Verwenden von willkürlichen Zahlen war nicht wissenschaftlich korrekt und es war für eine sinnvolle Bewältigung der Krise denkbar ungeeignet.
Wir sind alle aufgerufen diese politische Handhabung in der Corona-Krise zu hinterfragen.

September 2020 / Eine Kolumne von Tom / Wissenschaftler und aktiver Bürger


*) Wenn die Politik mehr staatlich kostenlose Tests anbietet und mehr Vorschriften zur Vorlage eines Negativtests erlässt, dann gibt es folglich mehr Tests und die Inzidenzzahl steigt. Sollte man die politische Förderung und Forderung von Tests herunterfahren, dann manipuliert man die Inzidenzzahl wieder nach unten. Das hat keine Aussagekraft über das tatsächliche Infektionsgeschehen in Deutschland.